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Schillern

Ein Montageangriff auf den Dilettantismus mit Texten von Friedrich von Schiller, Johann Wolfgang von Goethe und ein paar anderen, formiert von Axel von Ernst.

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Zur Textgestalt

Jedes Wort in „Schillern“ ist klassischer Text. Die intellektuelle Grundlage sind dabei die Fragmente „!Über den Dilettantismus“, die entstanden sind, als Schiller und Goethe 1799 einen gemeinsamen Aufsatz zu diesem Thema für die „Propyläen“ verfassen wollten. Übrig geblieben sind ein paar Prosanotizen und Tabellen von Sprengstoff, in denen Nutzen und Schaden des Dilettantismus in den verschiednen Künsten gegenübergestellt werden. Die Literaturwissenschaft hat dabei Goethes Anteil als den versöhnlicheren klassifiziert, während Schiller mit aller Schärfe gegen die Gefahr eines die Künste überwuchernden Dilettantismus zu Felde ziehen wollte. Deshalb werden gerade die beißenden Stellen gegen die Dilettanten in der Poesie und der Schauspielkunst vor allem Schiller zugeschrieben.

Leider ist der Aufsatz nie verwirklicht worden (Was alles hätte er – kanonisiert wie alles andere der beiden Klassiker – womöglich verhindern können!) und leider fristen nun die Dilettantismus-Fragmente ein ziemlich unbeachtetes Dasein in selten aufgeschlagenen Bänden der Goethe- und Schiller-Gesamtausgaben.

„Schillern“ soll diese Texte wieder hervorholen und vermitteln, indem mit der Hilfe weiterer Bruchstücke aus damaligen Texten ein neues Drama konstruiert wird, dessen zentrale Frage eben die nach dem Dilettantismus ist. Neben den diesbezüglichen Fragmenten selbst und Stellen aus dem Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller liefern solche Bruchstücke die ebenfalls gemeinsam verfassten „Xenien“, „Tabulae Votivae“ und der „Spruch des Konfuzius“. Gute Satzfragmente, Sätze und Passagen zur Montage boten dagegen weiterhin der 6. Brief und das Schema zu „Der Sammler und die Seinigen“ (wieder von Schiller und Goethe zusammen), die Briefe des jungen Schiller aus den Jahren 1776 bis 1789 an Scharffenstein, Boigeol, Petersen, van Hoven, Schwan, Streicher, Reinwald, Henriette von Wolzogen, Zumsteeg, Kunze, Huber, Körner, Göschen, Ridel, seine Schwester Christophine und seine spätere Frau Lotte von Lengefeld, sowie die späteren Briefe Schillers an seinen Freund Christian Gottfried Körner (1789 – 1804) und von diesem. Hinzu kommen Auszüge aus Schillers „Huldigung der Künste“ von 1804 und aus seinem Aufsatz „Über das gegenwärtige teutsche Theater“ von 1782, aus den Nachlasstexten „Bildungsstufen“, „Zu Körners Aufsatz über Charakterdarstellung in der Musik“, vieles aus den Wallenstein-Dramen, einiges aus der „Jungfrau von Orléans“ und den verschiednen Fassungen des „Don Karlos“, etwas Berühmtes aus „Wilhelm Tell“ und ein Wort aus „Kabale und Liebe“ (Limonade). Neben Körner kommen zusätzlich zu Goethes und Schillers Worten noch wenige Worte von Schillers Freund Petersen und Goethes Eckermann zum Tragen.

Und aus all dem also, aus garantiert klassischen Bruchstücken und nur sehr vorsichtig in Rechtschreibung und Grammatik modernisiert, ist „Schillern“ entstanden – ein Gespräch mit erhabenen Ziel, inspiriert, ergebnislos und schließlich auch rauschhaft dilettantisch. Lässt sich feststellen, was Kunst ist und was Kunstgewerbe? Vier Leute diskutieren über eine einzige, über die klassische Meinung: Ja.
Axel von Ernst

Was aber auch dies sein und wirken mag, so wird doch die Arbeit über den „Dilettantismus“ eine weit größere Breite einnehmen. Sie ist von der größten Wichtigkeit, und es wird von Umständen und vom Zufall abhängen, auf welche Weise sie zuletzt produziert wird. Ich möchte ihr gar zu gern auch eine poetische Form geben, teils um sie allgemeiner, teils um sie gefälliger wirken zu machen. Denn wie Künstler, Unternehmer, Verkäufer und Käufer und Liebhaber jeder Kunst im Dilettantismus ersoffen sind, das sehe ich erst jetzt mit Schrecken, da wir die Sache so sehr durchgedacht und dem Kinde einen Namen gegeben haben. Wir wollen mit der größten Sorgfalt unsere Schemata nochmals durcharbeiten, damit wir uns des ganzen Gehaltes versichern, und dann abwarten, ob uns das gute Glück eine Form zuweist, in der wir ihn aufstellen. Wenn wir dereinst unsere Schleusen ziehen, so wird es die grimmigsten Händel setzten, denn wir überschwemmen geradezu das ganze liebe Tal, worin sich die Pfuscherei so glücklich angesiedelt hat. … Es soll eine gewaltige Sündflut werden.
Goethe an Schiller, 22. Juni 1799

Könntest Du mir innerhalb eines Jahrs eine Frau von zwölftausend Talern verschaffen, mit der ich leben, an die ich mich attachieren könnte, so wollte ich Dir in fünf Jahren – ein „Frideriziade“, – ein klassische Tragödie und, weil Du doch so darauf versessen bist, ein halb Dutzend schöner Oden liefern- und die Akademie in Jena möchte mich dann im Asch lecken.
Schiller an Christian Gottfried Körner, 9. März 1789

Im Alter erinnern sich Mitschüler an die groben „Weckmittel“ des Produktiven beim angehenden Schriftsteller. Georg Friedrich Scharffenstein (1760 – 1817) schildert Schillers Stuttgarter Quartier als ein „nach Tabak und allerhand stinkendes Loch“. Johann Wilhelm Petersen (1758 – 1815) erzählt: „Einen Tabackschnupfer wie Schiller war, wird man nicht leicht finden … Hatte er bisweilen gerade keinen in seiner Dose, so kitzelte er sich die Nasennerven mit Staub.“ Und schließlich: „Mehrere seiner Bekannten waren Augenzeugen, daß er, während eines Beischlafs, wobey er brauste u. stampfte, nicht weniger 25 Prisen … Geistigen Taback in die Nase nahm“. Ausgerechnet dieser Petersen, später Professor an der Carlsakademie und Herzoglicher Bibliothekar, dem die Nachwelt die „Geschichte der deutschen National-Neigung zum Trunke“ (Leipzig 1782) verdankt, bringt dann auch „Bouteillen“ und „Produktion“ beim jungen Schiller in unmittelbaren Zusammenhang. In seinem Zimmer sei „nichts anzutreffen … als in einem Eck ganze Ballen der `Räuber´, in dem andern ein Haufen Kartoffeln mit leeren Tellern, Bouteillen“
Marbacher Magazin 72/1995, Vom schreiben 3

Das Jahrhundert-Neujahrsfest bei Goethe und Schiller in Weimar: „Einige Bouteillen Champagner standen auf dem Tisch und die Unterhaltung ward immer lebhafter. Da fiel mir, der ich mit meiner nordischen Virtuosität nüchternen blieb, als die alten Herren, die Veränderung auf, die mit zwei so bedeutenden Persönlichkeiten vorging. Göthe war unbefangen lustig, ja übermütig, während Schiller immer ernsthafter ward und sich in breiten doctrinären, ästhetischen Explicationen erging.“
Henrik Steffens (1773 – 1845), „Was ich erlebte“