So alt, so jung

LIEBHABER-THEATER. Das SeTA nimmt sich eines Stückes von Ferdinand Bruckner an und haucht ihm frisches Leben ein

von Ruth Heynen

 

„Liebhabertheater“ bietet das Programm des Jungen Theaters in der Alten Stadt zurzeit in doppeltem Sinn: Ferdinand Bruckners „Krankheit der Jugend“ handelt von Liebhabern. Und von Liebhaberinnen. Von Pärchen, die sich eifersüchtig beschützen, die sich begehren, betrügen und verlassen.
„Liebhabertheater“ ist aber die neue Inszenierung dieses Textes durch das Seniorentheater (Regie: Marlin de Haan) auch im Sinne von Laienbühne, wie man sie im 18. Jahrhundert kannte: Hofangehörige traten zur gegenseitigen Unterhaltung auf, Bürger wagten sich für Bürger auf die Bretter. Genau das tut seit 1989 das SeTA – und mit Erfolg. Vergangenen Mittwoch füllte es die Ränge des JuTA, erntete ein kleines Meer duftender Blumen und begeisterten Applaus.
Den erhielt auch Bruckner, als das Stück – vor fast genau 80 Jahren – in den Hamburger Kammerspielen uraufgeführt wurde. Mit diesem Zeitstück feierte er schöne Erfolge. Bruckner erzählt vom Verfall bürgerlicher Werte, von einer gelangweilten, drogensüchtigen, zynischen Jugend: Im Wilhelm-Max-Haus wird die verkörpert von weißhaarigen Menschen, die diese längst hinter sich haben – mit einem Augenzwinkern, mit Lebenserfahrung, manchmal als bloßer Klamauk.
Protagonistin ist die Studentin Marie (dargestellt von der unverstellt sympathischen Ulla Krummel), Tochter eines reichen Fabrikanten, die mit ihrer ebenso verwöhnten Freundin und Kommilitonin Desiree (energisch: Helga Jütter) ihre Promotion feiert. Mit von der Partie ist die ebenfalls eingeschriebene Irene (fast jugendlich in diesem Kreise: Ditha Hendricks), die ihre Ziele klarer im Auge behält. Kurzerhand schnappt sie sich Maries Freund, den Dichter Petrell (ein rührendes Opfer der streitenden Frauenwelt: Karl Wilhelm). Marie ist verzweifelt und gerät so (fast) in die Fänge Desirees, die eine homosexuelle Neigung zu ihr verspürt. Als Marie ihr die kalte Schulter zeigt, schluckt die Verliebte ein ganzes Fläschchen Veronal.
Weiß gekleidet begeben sich die älteren Herrschaften auf die weiß bespannte Bühne von Jörg Zysik, rezitieren, flanieren und tanzen, treten auch frisch und munter in die Pedale eines Trimm-Rads. Begeistert lassen sich die 23 Ensemblemitglieder auf das Spiel ein: und die „Krankheit der Jugend“ scheint so zur „Freude des Alters“ zu werden.

NRZ, 27.10.2006